Netzwerk Friedenskooperative virtueller Ostermarsch 2020 (Link zum originalen Beitrag auf der Website des Netzwerks Friedenskooperative hier)
Elsa Rassbach, Berlin: ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Berlin am 11. April 2020
Liebe Freundinnen und Freunde,
bewaffnete Drohnen — im Volksmund „Kampfdrohnen“ — sind zuerst durch die US-Regierung als eine aggressive Waffe zur Menschenjagd und „gezielte Tötungen“ entwickelt und eingesetzt worden. Die Kampfdrohnen ermöglichen Tötungen ohne ein Risiko für die Angreifenden und senken damit die Schwelle, militärische Gewalt auszuüben. In den letzten Jahren haben mehr und mehr Länder Kampfdrohnen angeschafft und in mehr und mehr Ländern eingesetzt.
Mit Kampfdrohnen werden ganze Bevölkerungen durch ständige Überwachung und häufige Tötungen, auch von vielen Unbeteiligten, gequält. Zudem werden Kampfdrohnen für friedensbedrohende völkerrechtswidrige Attentate eingesetzt, wie im Januar gegen den iranischen General Qasem Soleimani.
Seit Jahren ist es weitgehend bekannt, dass die US-Regierung die Ramstein Air Base im deutschen Hoheitsgebiet für illegale Drohnen-Tötungen verwendet. Die Bundesregierung könnte durch Kündigung des Stationierungsvertrags mit den USA die völkerrechtswidrigen Drohnen-Tötungen via Einrichtungen in Deutschland stoppen.
Stattdessen will die Bundesregierung Drohnen der Bundeswehr bewaffnen. Kampfdrohnen spielen heute auch eine zentrale Rolle in den Aufrüstungsplänen der NATO und der EU. Und die deutsche Rüstungsindustrie ist bestrebt, so bald wie möglich in den weltweiten Handel mit dieser Mordwaffe einzusteigen.
Liebe Freundinnen und Freunde,
schon vor mehr als sieben Jahren forderte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr. Die Friedensbewegung sowie Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften, NGOs und Abgeordnete aus mehreren Bundestagsfraktionen haben sich über viele Jahre gegen das gefährliche neue Waffensystem eingesetzt. Wegen der starken Ablehnung in der Bevölkerung gab es bis heute noch keine Mehrheit in der Politik für ihre Beschaffung.
Deutschland hat noch keine bewaffneten Drohnen. Und dies muss so bleiben! Die Gründe, warum wir Kampfdrohnen für die Bundeswehr ablehnen, sind über die Jahre in zahlreichen Erklärungen, Appellen, Reden, Anfragen und Studien von Wissenschaftler*innen und Jurist*innen, Whistleblowern, Parlamentarier*innen, NGOs, Friedens- und Menschenrechtsorganisationen ausführlich beschrieben und belegt.
Aber liebe Freundinnen und Freunde, nun während der Corona-Virus-Krise versucht das Verteidigungsministerium die Beschaffung von Waffen für Bundeswehr-Drohnen doch noch durchzusetzen, und zwar voraussichtlich im Juni 2020. Dies müssen wir stoppen!
Wegen dem erheblichen Widerstand gegen Kampfdrohnen in der Bevölkerung wurde im geltenden Koalitionsvertrag von 2018 durchgesetzt, dass eine parlamentarische Entscheidung über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr erst nach einer „breiten gesellschaftlichen Debatte“ und „ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung” stattfinden kann.
Hiermit wurde Deutschland der erste NATO-Mitgliedsstaat, dessen regierende Parteien eine solche Untersuchung zu diesem gefährlichen Waffensystem angeordnet haben. Die in Deutschland vorgesehene „breite gesellschaftliche Debatte“ zu Kampfdrohnen ist deswegen für die ganze Welt von Bedeutung.
Die schwerwiegende Entscheidung des Bundestags für oder gegen die Bewaffnung von Drohnen für die Bundeswehr darf aus guten Gründen nur nach einer breiten gesellschaftlichen Debatte stattfinden. Als Präzedenzfall wird diese Entscheidung bis weit in die Zukunft die Möglichkeit einer Bewaffnung von allen bewaffnungsfähigen Drohnen der Bundeswehr betreffen: ob Heron TP, „Eurodrohne“ oder auch weitere Drohnen, darunter eventuell in der Zukunft auch autonome Drohnen.
Die Bundesregierung beteuert, dass sie bewaffnete Drohnen immer unter Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte einsetzen wird. Aber liebe Freundinnen und Freunde, wie sollen wir dies glauben, wenn die Bundesregierung die völkerrechtswidrigen Drohneneinsätze der USA seit Jahren duldet? Und eine Entscheidung für bewaffnete Drohnen würde diese umstrittene Waffe in die Hände von auch zukünftigen deutschen Regierungen geben, welche Politik auch immer sie verfolgen.
Das Verteidigungsministerium will jedoch die sehr notwendige „breite gesellschaftliche Debatte“ umgehen. In einem Brief vom 06. April 2020 an ein SPD-Mitglied im Verteidigungsausschuss beschreibt das Verteidigungsministerium ihren Plan, um die breite gesellschaftliche Debatte, die vorgesehen ist, durch eigene Veranstaltungen im Verteidigungsministerium zu ersetzen.
Innerhalb von einigen Wochen plant das Verteidigungsministerium die Vorstände der Bundestagsfraktionen zu einem sogenannten „Workshop“ im Verteidigungsministerium einzuladen. Wegen begrenzter „Sitzplatzkapazitäten“ werden vermutlich laut dem Verteidigungsministerium nicht alle interessierten Bundestagsabgeordneten oder VertreterInnen der Medien teilnehmen dürfen.
Am Ende dieser sogenannten „Beteiligungsphase“ und unter Lenkung durch das Verteidigungsministerium soll es bis Juni 2020 eine „finale Abstimmung“ der Bundestagsfraktionen zu einem Diskussionspapier geben, das dann als „Grundlage für die weitere Behandlung des Themas in den Gremien des Deutschen Bundestags herangezogen werden“ soll. Es ist klar, dass das Verteidigungsministerium die Meinungsbildung dominieren will.
Wo bleibt hier die „breite gesellschaftliche Debatte“? Wie kann die Bevölkerung sich über den Verlauf informieren und einbringen? Wird das Verteidigungsministerium etwa seine Türen für die deutsche Bevölkerung öffnen, damit sie sich an der Diskussion beteiligen darf? Werden die Diskussionen, die im Verteidigungsministerium stattfinden, aufgezeichnet und auf der Webseite des Bundestags gepostet wie bei parlamentarischen Debatten üblich?
Liebe Freundinnen und Freunden, auch während der Corona-Virus-Pandemie können wir unsere Stimmen erheben! Kontaktiert die Bundestagsabgeordneten mit der Forderung, dass sie sich gegen die Bewilligung der Kampfdrohnen einsetzen.
Durch unsere Briefe an Bundestagsabgeordnete sowie an die Medien können wir klar zum Ausdruck bringen, dass das Vorgehen des Verteidigungsministeriums keine Legitimität hat!
Wir fordern eine breite gesellschaftliche Debatte!
Deutschland darf nicht in das Töten und Morden mit Drohnen einsteigen. Stattdessen muss die Bundesrepublik den Verzicht Deutschlands auf die Anschaffung von bewaffneten Drohnen erklären und sich für internationale Rüstungskontrollen einsetzen – um langfristig eine Ächtung dieses gefährlichen Waffensystems zu bewirken.
Autorin: Elsa Rassbach (DFG-VK, attac, Drohnen-Kampagne, Codepink)
Quellen:
Briefe des Verteidigungsministeriums an Bundestagsabgeordneten
(Februar – April 2020):
https://drohnen-kampagne.de/files/2020/04/BMVg-an-K.H.-Brunner-06.04.2020.pdf
https://drohnen-kampagne.de/files/2020/04/BMVg-06.03.2020-an-AG-der-SPD-Fraktion.pdf
https://drohnen-kampagne.de/files/2020/04/Fraktionsvorsitzendenbrief-Einladung-Podiumsdiskussion.pdf
Offener Brief der Drohnen-Kampagne an die Bundestagsabgeordneten
(März 2020):
https://drohnen-kampagne.de/2020/03/25/offener-brief-der-drohnen-kampagne-an-die-bundestagsabgeordneten/
Zweiter Appell der Drohnen-Kampagne
(Dezember 2019):
https://drohnen-kampagne.de/appell-12-2019/
UPDATE:
Selbst aktiv werden:
Ihr könnt unser Anliegen unterstützen, indem Ihr Abgeordnete kontaktiert und auf eine gesellschaftliche Debatte zu diesem wichtigen Thema besteht, die diesen Namen auch verdient. Das BMVg sollte hier nicht die Zügel in der Hand haben und selbst über Teilnehmende und ExpertInnen entscheiden können! Dazu finden Sie hier die Email-Adressen der Bundestagsabgeordneten:
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